Interview mit Wilhelm Stemmer: »Technisch interessierte Mädchen für Ingenieurswissenschaften gewinnen«

Bereits zum vierten Mal unterstützt die Wilhelm Stemmer-Stiftung die Roberta-Initiative und ermöglicht 48 Lehrkräften in Bayern eine kostenlose »Roberta-Basis-Schulung« sowie bis zu 12 Fortgeschrittenen eine kostenlose »Roberta-eXperts-Schulung«. Im Roberta-Interview spricht Wilhelm Stemmer (WS) über seine Stiftung, digitale Bildung und seine Erfahrungen mit Roberta.

Herr Stemmer, Ihre Stiftung unterstützt regionale Einrichtungen im Raum München, um dort die Wissenschaft, Forschung und Lehre zu fördern. Gab es eine Art Schlüsselmoment, warum Sie für diese Belange eine Stiftung gegründet haben?

WS: »Es war nicht gerade ein Schlüsselmoment, sondern eher ein Schritt mit viel Überlegung. Deutschland lebt von den Innovationen seiner Industrie, deren Produkte in der ganzen Welt als „Made in Germany“ gefragt sind. Die Basis des Erfolgs legen deutsche Wissenschaftler und Ingenieure. Da seit Jahren ein Mangel an Ingenieuren herrscht, die letzte Zahl, die ich in diesem Zusammenhang gelesen habe, war ein Minus von 200.000 Ingenieurinnen und Ingenieuren. Diesem Mangel wollte ich mit meiner Stiftung zumindest mit meinen Möglichkeiten entgegenwirken. Der Zweck meiner Stiftung ist, bereits Kinder und Jugendliche sehr früh für Technik und Naturwissenschaften zu begeistern, in der Hoffnung, dass sie später eine technische Berufsausbildung anstreben.«

1973 haben Sie Ihr erstes Elektronik-Unternehmen gegründet, 1987 das mittlerweile europaweit tätige Unternehmen STEMMER-IMAGING. Jahrzehntelang haben Sie im Bereich der Ingenieurswissenschaften gearbeitet. Was ist so faszinierend an diesem Bereich?

WS: »Ich bin von der Ausbildung Ingenieur und hatte die Chance mich früh selbständig zu machen. Schon seit den Anfängen habe ich mich mit Computern und Programmierung für die Industrie-Automation befasst. Dabei ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich Teil sein durfte an der enormen Evolution der Computer-Technik von schrankgroßen Rechnern hin zu den sehr leistungsstarken Personal-Computern. Erst mit dieser permanenten Leistungssteigerung und der kleinen Baugröße, wurde auch die Echt-Zeit-Bildverarbeitung erst möglich. Die industrielle Bildverarbeitung ist heute aus der Industrie-Automation nicht mehr wegzudenken. Mehr oder weniger jedes industriell hergestellte Produkt, wurde ganz sicher auf dem Weg zum End-Produkt durch Bildverarbeitung kontrolliert. Und die Möglichkeiten in anderen, neuen Branchen sind noch lange nicht ausgeschöpft.«

Die Wilhelm Stemmer-Stiftung unterstützt die Roberta-Initiative bereits zum vierten Mal – was überzeugt Sie am Roberta-Konzept?

WS: »Unsere Stiftung unterstützt mittlerweile viele Einzelprojekte an Realschulen und Gymnasien im Münchner Umland. Mir ist es wichtig die Projekte der Schüler mit zu begleiten. Dies erfordert ein hohes persönliches Engagement mit großem Zeitaufwand, aber auch mit viel Spaß im Umgang mit Technik-interessierten, jungen Menschen. Eine Alternative zu meinem persönlichen Aufwand, habe ich in der Roberta-Initiative gefunden. Anstelle einzelne Schülerprojekte zu fördern, erreiche ich durch die Roberta-Initiative, die sich die Schulung von Lehrern in der Nutzung und Programmierung von Lego-Mindstorm-Robotern zum Ziel setzt, eine viel höhere Anzahl von Schülern. Ich kann durch Roberta einen größeren Skalierungs-Effekt für unseren Stiftungszweck erzielen. Und dann hat die Roberta-Initiative auch das Ziel, Lehrer und Lehrerinnen didaktisch zu schulen, um im Speziellen Mädchen für Technik zu begeistern. Aus Erfahrung als Unternehmer weiß ich, welches Potential der Industrie entgeht, wenn wir es nicht schaffen, die technisch interessierten Mädchen für die Ingenieurswissenschaften zu gewinnen. Die Roberta-Initiative ist der richtige Schritt in diese Richtung.«

Wenn Sie sich den MINT- und Bildungsbereich in den vergangenen Jahren anschauen und die heutige Situation mit der Zeit damals, z.B. vor der Wilhelm Stemmer-Stiftung, vergleichen – Haben Sie den Eindruck, dass sich in dem Bereich etwas tut?

WS: »Ich weiß nicht, wie sich andere Bundesländer in dieser Richtung entwickeln. Aber in Bayern sehe ich mehr und mehr Schulen, die das Prädikat „MINT-freundliche Schule“ anstreben, oder bereits schon haben. Diese Institutionen zu unterstützen ist für unser Stiftungszweck besonders interessant.«      

Sehen Sie denn noch Handlungsbedarf? Und wenn ja, was muss passieren?

WS: »Aus meiner Sicht steht und fällt die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern an der Ausrichtung einer Schule durch die Schulleitung hin zu einer MINT-Schule und im Besonderen am Engagement von technisch ausgebildeten Lehrern. An dieser Stelle müsste man ansetzen und Lehrer bereits früh, schon in deren Ausbildung, zum MINT-Lehrer befähigen. Die Roberta-Initiative hat auch hier großen Anteil an der Lehrerbildung. Ein Grund für unsere Stiftung diese Initiative auch weiter zu unterstützen.«

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Portrait Wilhelm Stemmer, ©Wilhelm Stemmer